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[Deutsch von Paul Flapper]
Diese Auszüge stammen aus Musa Mayers Biographie ihres Vaters mit den Titel Night Studio : A Memoir of Philip Guston, veröffentlicht von Da Capo Press, New York, 1997 (erste Ausgabe 1989, Knopf).
(Die Nummern innerhalb der Klammern beziehen sich auf die Fußnoten in Musa Mayers Buch, hier wiedergegeben am Ende des Texts.)
Es gab anregende Gesellschaft für Philip in New York - ganz besonders sein engster Freund aus den fünfziger und sechziger Jahren, Morton Feldman, der Komponist, den er durch John Cage kennengelernt hatte... Mein Vater besuchte mit Cage und Feldman eine Vorlesung von D.T. Suzuki und faßte - vorübergehend - ein Interesse am Zen Buddhismus und der Bedeutung "der Leerheit". (Seite 60)
"Während dieser Jahre sprachen wir ständig über eine imaginäre Kunst in der fast nichts existierte," sagte Morty Feldman. "In gewissem Sinne war es eine Drei-Weg-Unterhaltung, obwohl ich niemals den einen auf die Ideen des anderen aufmerksam gemacht habe... 'Nichts' ist keine seltene Alternative in der Kunst. Bei unserer Arbeit werden wir stetig damit konfrontiert." Er erzählte folgende Geschichte über seine beiden Freunde in seinem Beitrag "Philip Guston: The Last Painter", geschrieben für Art News: "Ich erinnere mich an einen langen Spaziergang mit John Cage den East River entlang. Es war ein herrlicher Frühlingstag. An einer gewisser Stelle rief er aus : 'Sieh doch mal diese Möwen. Mensch, sind die frei!'. Ich erinnere mich, daß ich, nachdem ich die Vögel beobachtet hatte, sagte: 'Die sind ja gar nicht frei - ständig auf der Suche nach Ernährung.'
"Das ist im Grund der Unterschied zwischen Cage und Guston," führte Feldman fort. "Cage sieht die Wirkung, er ignoriert ihre Ursache. Guston, ausschließlich fixiert auf seine eigene Ursächlichkeit, zerstört ihre Wirkung. Sie haben beide Recht, selbstverständlich, genauso wie ich. Wir ergänzen uns gegenzeitig fabelhaft. Cage ist taub, ich bin stumm und Guston ist blind." [1]
Auch mein Vater hat früher Geschichten über die drei Männer erzählt. Er schrieb: "Cage und Feldman besuchten mein Atelier in 1951 oder 1952, und ich hatte gerade die wohl sparsamsten Bilder überhaupt fertiggestellt...ich glaube, eines der Gemälde enthielt nur einige farbige Punkte, und eine ganze Menge Auswischungen. John Cage war darüber sehr begeistert und sagte : 'Mein Gott! Ist es nicht großartig, daß man ein Bild malen kann, das sich auf nichts bezieht!' Feldman wendete sich ihm zu und sagte : 'Aber John, es bezieht sich auf alles!' " [2]
Morty Feldman war ein großer, robuster Mann mit einem nahezu schwarzen Haarbüschel oberhalb einer nicht anwesenden Stirn, und Augen die verborgen lagen hinter einer Brille mit Linsen wie Flaschenböden ....Sein knurriges, sardonisches Verhalten verbarg eine schnelle und beißend kritische Intelligenz. Er war ein Mann, dessen Appetit den meines Vaters noch übertraf. Sie beide liebten es zu essen, zu trinken und zu rauchen, und sie machten das am liebsten zusammen. Die zwei Männer durchkämmten die Stadt auf der Suche nach Filmen und billige Restaurants. Meine Erinnerungen an Morty zeigen ihn ausgestreckt und schnarchend auf unserem Rohrstuhl, nach irgendeinem Festmahl, an dem die zwei Freunde sich beteiligt hatten. (Seite 61/62)
[Als Gustons malerischer Stil sich in den sechziger Jahren dramatisch veränderte, von Abstraktion zum figurativ, cartoon-artigen Stil seines späten Oeuvre...] Nicht jeder seiner Freunde hatte Verständnis dafür. Daß Feldman sich nie günstig aus ließ über das neue Werk, hat meinen Vater tief gekränkt. Ihre Freundschaft hat sich nie richtig erholt, obwohl Morty immer in Philips Geist und in seinem Herzen war; in 1977 malte mein Vater Friend - To M.F. Es ist ein rührendes Bild, wie Robert Storr beobachtet, von "ihrer beiderseitig bedauerten Entfremdung"; Morty's Kopf ist teilweise vom Betrachter abgewendet. (Seite 157) [3]
[Im Dezember 1980, nach Gustons Tod früher im Jahr]... das "St. Mark's Poetry Project" wollte eine "Hommage an Philip Guston" veranstalten... An dem Abend war das St. Marks Gemeindehaus voll Publikum... Morty Feldman las aus einem Aufsatz vor, den er geschrieben hatte für den Katalog der letzten Werke meines Vaters, die von der "Phillips Collection" in Washington D.C. in einer Vorstellung zusammen gebracht worden waren, und malte ein rührendes Porträt von der Freundschaft zweier dickköpfiger, schwieriger Männer. "Ich wehre mich dagegen," sagte er, "mich mit irgend jemandem zu unterhalten, der mir erklären könnte warum Guston diese letzte Werke so konstruierte wie er es tat. Meine Einstellung gleicht der meines Vaters als er sich weigerte nach dem Weg zu fragen als wir uns verirrt hatten in Hoboken." Ich erinnerte mich, daß Morty in Woodstock, vor der Beerdigung, lange Zeit an der Wand des Ateliers verbracht hatte, grübelnd über diese letzten Werken, die mein Vater hinterlassen hatte, als versuchte er zu entziffern, wo er und Philip sich gegenseitig verloren hatten. "Für mich," fuhr er fort, "würde die richtige Forschung daraus bestehen,diese bestimmte Art von Verlassenheit, die Guston während der siebziger Jahre mit andern teilte, wieder zu erwecken; eine Sorge daß irgend etwas einfach ein bißchen länger andauern könnte, daß unsere Lebensdauer nicht das Maß der Zeit sein würde, bestätigt durch frühe, mittlere und späte Horizonte. Zwei Rabbiner, die eng miteinander befreundet waren, überlebten dem Holocaust. Der eine ging allein nach London, der andere nach irgendwo in Südamerika. Der Rabbiner in London schrieb seinem Freund: 'Schade daß du so weit entfernt bist.'
"'Wovon denn ?' war die Antwort.
"Einer der denkwürdigsten Mittage, den ich mit Guston verbrachte, fing so an, als ich die Treppe zu seinen Atelier hinaufging: 'Also, ich bin nicht Michelangelo'. Ich suchte in einem frischbegonnenen Gemälde nach einen Hinweis für seine Depression. Ich fand keinen Hinweis. 'Na gut, also bist du nicht Michelangelo, du bist El Greco'. Gustons Gesicht klärte sich erleichtert auf.
"Ein kleines Gemälde von Guston aus 1967 hängt über meinem Schreibtisch: auf einem weißen Boden nur zwei langgestreckte Figuren, etwa 18 cm von einander entfernt. Ihre Anordnung in der Ebene ist charakteristisch für die Art, in der Guston während der sechziger Jahre ein Bild einfriert. 'Der da links', sagte er, 'erzählt dem anderen seinen Kummer.' " (Seite 234/235) [4]
Fußnoten: | |
1. | Morton Feldman, "Philip Guston: The Last Painter," Art News Annual XXXI, 1966. |
2. | Philip Guston, zitiert in Dore Ashton, Yes, But... A Critical Study of Philip Guston, Viking Press, New York, 1976, S.95. |
3. | Robert Storr, Philip Guston, Abbeville Press, New York, 1986, S.50. |
4. | Morton Feldman, Aufsatz in Philip Guston: 1980, The Last Works, Katalog für eine Ausstellung veranstaltet von der Phillips Collection, Washington D.C., 1981. |
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